Eigentlich ist es doch einfach. Lerne
ich einen Mann kennen, sollte ich doch schlicht in der Lage sein zu
sehen, ob der mir gefällt, zu mir passen könnte oder ob da größere
Hindernisse und Differenzen im Weg stehen. Und dann entscheiden, ob
ich mich darauf einlasse, ihn näher kennenzulernen oder ob ich
lieber meine Zeit mit etwas Sinnvollerem verbringe. Leider kommt mir
dabei immer was dazwischen. Denn natürlich will ich gerne, dass ich
dem Kerl gefalle. Und während ich noch versuche, herauszufinden ob
er mich toll findet, sitze ich schon in der Denkfalle. Ich denke
dann, wenn ich nur ein bisschen toller, toleranter, cooler oder
erwachsener wäre, dann würde ich den Mann schon richtig gut finden
können. Immerhin redet er mit mir.
Keine Ahnung, ob es an mir, der Stadt
oder den Männern liegt, aber ich werde nicht angesprochen. Zumindest
nicht in Bars und Kneipen. Auch nicht auf der Straße oder beim
Einkaufen. Maximal in Clubs und Absturzkneipen, wenn die Jungs so
blau sind, dass sie sich alles trauen. Deswegen bin ich schon mal
grundsätzlich dankbar, wenn es dann doch mal eine Gelegenheit gibt,
bei der mir so ein Mann nicht entkommen kann und man miteinander
reden muss. Zum Beispiel wenn man sich mit Freunden trifft, die neue
Leute mitbringen. Und ich habe kein generelles Kommunikationsproblem.
Ich rede täglich mit sehr vielen Menschen und auch wenn in mir drin
noch ein schüchternes kleines Mädchen steckt, haben mich der Job am
Set und im Verkauf trainiert, immer und zu jeder Zeit kommunizieren
zu können.
Aber wenn dann einer nach meiner
Telefonnummer fragt, hoppla, tun sie eh nicht, ich geb sie ihnen,
dann werde ich irrational. Schalte meine Sicht der Dinge ab und fange
an, die Sache aus seiner Sicht sehen zu wollen. Finde Erklärungen,
Entschuldigungen, fange an, an mir rumzubasteln und verliere mein
Bauchgefühl. Und die Fähigkeit, klar auszudrücken, wenn mir etwas
nicht gefällt. Damit meine ich nicht, dass ich mich nicht über
vergessene Anrufe nicht beschweren würde. Aber ich wage es nicht
mehr, Sachen zu bemerken, die mich an ihm stören. Eine unaufgeräumte
Wohnung etwa, die auf ein sehr unaufgeräumtes Leben hinweist.
Übermäßigen Alkoholkonsum. Denn er trinkt ja nicht jeden Tag, er
hat ja kein Problem damit. Also wieso sollte ich damit eines haben?
All das habe ich Mr.Bickle immer per Mail HINTERHER um die Ohren
gehauen, anstatt den Konflikt zu riskieren und ihn dann zu
konfrontieren, wenn es Sinn gemacht hätte. Nachtreten ist albern.
Auch jetzt könnte ich ihm wieder ganz viel sagen, was ich nicht
fähig war, ihm während unserer gemeinsamen Monate zu sagen. Aber
wozu? Ich war ihm gegenüber unehrlich. Das muss ich einfach so
stehenlassen.
Und nicht nur bei ihm. Mein Wiener war
zwar der perfekte Gentleman, aber emotional kam ich zu kurz.
Abgesehen davon, dass ich es gar nicht hätte benennen können, auch
ihn fand ich so viel toller als mich selbst- da kann ich doch nicht
mit so was ankommen. Oder etwa doch? Wann ich angefangen habe zu
glauben, dass ich außer Sex nicht viel zu bieten hätte, kann ich
nicht sagen. Aber spätestens seit ich mich einmal verknallt hatte
und erlaubt habe, dass das Ganze doch nur eine Affäre wurde, und ich
das Spielzeug eines Mannes, war das Muster drin. Der Sex war toll,
der Mann besonders. Und ich fand es aufregend, war ich doch vorher
immer der Meinung gewesen, dass Sex und Liebe untrennbar
zusammengehören. Schäfchen das ich war. Spät angefangen und keinen
Plan von Männern. Dazu ewig gemobbt und immer irgendwie anders. Das
nicht als Vorteil gesehen, sondern mich geschämt, wenn andere mich
als anstrengend empfunden haben. Und das war und ist teilweise bis
heute so. Bisschen Klugscheißerin, bisschen zu intelligent
vielleicht, zu schnell, zu direkt, zu ungeduldig. Kann mich schlecht
entspannen, das Hirn nur beim Sex ausschalten, mag sein, dass manche
Leute ein Problem damit haben.
Also interpretiere ich das so, dass ich
nicht so einfach bin, dass es nicht selbstverständlich ist, gemocht
zu werden und dass die anderen alle was besser machen als ich, ergo
besser sind, ergo muss ich DIE mögen lernen, weil ich ja falsch bin.
Und der Sex. Das kann ich. Das kann ich offensichtlich sogar besser
(…) als die meisten anderen Frauen. Sagen zumindest die Kerle und
kommen auch nach Jahren immer wieder an, um nochmal... Dabei bin ich
noch nicht mal die, die man sofort in den Hintern und so. Ich gebe
aber offensichtlich den Männern das Gefühl, gute Liebhaber zu sein,
weil ich ziemlich leicht erregbar bin und auch beim größten Stümper
komme. Dafür kann der allerdings nix, muss er aber nicht unbedingt
wissen. Und ich hatte meist großartige Liebhaber! Soviel
Gerechtigkeit muss sein! Ich genieße einfach generell, angefasst zu
werden und gebe mich schamlos hin. Und ich blase ganz gut. Sagen die
Jungs. Das reicht, um sie im Bett an mich zu binden. Und darauf habe
ich mich immer verlassen. Der Rest blieb hinten. Also, eine richtige
Auseinandersetzung mit dem Thema Beziehung, was brauche ich außer
meinen regelmäßigen Ficks und wie kommuniziere ich es, wenn ich
mehr will? Denn da war immer die Angst, dass ich zu viel fordere und
der Mann dann weg ist. Dass der Wiener genau daran verzweifelt ist,
dass da nichts von mir kam, und sich dann eine Partnerin gesucht hat,
die ihm auch mal die Meinung sagt, war klar. Denn in der Situation
damals war ich Mr.Bickle. Depressiv, im Chaos meines Lebens gefangen
und nicht fähig, mehr zu geben als den Sex. Dass das zu wenig ist
auf Dauer, weiß ich jetzt.
Ein richtiger Mann schätzt es, wenn er
eine Frau an seiner Seite hat, die ihr Ding durchzieht und auch ihm
gegenüber ehrlich und konkret ist. Dabei dachte ich schon, dass mein
ureigenes Autonomiebedürfnis mich davor retten würde, mich für
einen Mann total aufzugeben. Hat aber nur dazu geführt, dass ich
weggelaufen bin und nachgetreten habe. In den Monaten mit IHM jetzt
allerdings, habe ich schon versucht, Konflikte auszutragen. War zäh,
aber allein die Tatsache, dass er dann doch zumindest telefonisch auf
meine Beschwerden eingegangen ist, auch wenn er nur seinen Standpunkt
wieder und wieder runtergebetet hat, zeigt mir, dass ich schon auf
einem ganz guten Weg war. Er hat sich schon bemüßigt gefühlt, sich
zu verteidigen. Hab wohl den Punkt getroffen. Das waren allerdings
auch nur die Punkte, wo es um sein Verhalten mir gegenüber ging.
Sein Leben, sein Chaos, das alles habe ich ja versucht zu
akzeptieren. Versucht, ihn mit all seinen Fehlern zu lieben. Habe
gesehen, dass er wahnsinnig empfindlich ist und dann sofort in die
Verteidigung geht, mich angreift, den Spieß umdreht. Und anstatt zu
sagen, dass das eine Eigenschaft ist, die mich tierisch nervt und mit
der ich nicht umgehen müssen möchte, habe ich wieder versucht, sein
Problem zu lösen, in dem ich es zu meinem mache. Dabei hieße die
Konsequenz, ihn zu konfrontieren und letztendlich auch zu dem Schluss
zu kommen, dass es eine Grenze gibt, dass man den anderen zwar
akzeptieren muss, bis zu einem gewissen Punkt. Dass aber zu viele
dieser Punkte einfach auch bedeuten, dass es halt nicht geht. Nicht
für mich. Mag sein, dass eine andere damit klar kommt. Ich nicht,
das ist zu sehr mein Vater, als dass ich das haben möchte.
Auch wenn ich jemand noch so sehr
liebe, auch wenn der Sex fast unersetzlich geil war und es mir brutal
fehlt, mit ihm einfach mein Hirn auszuklinken und mal ein paar
Stunden nicht zu denken, auch wenn das bis jetzt keiner geschafft
hat, mich so runterzubringen und zu entspannen, er kann mir außerhalb
des Bettes nicht das geben, was ich brauche. Und da sind wir wieder
beim Anfang. ICH muss den Kerl toll finden. Und offensichtlich habe
ich ja doch etwas mehr zu bieten als den Sex. Könnte sogar sein,
dass ich inzwischen echt beziehungsfähig bin, auch wenn ich noch an
meiner Konfliktfähigkeit arbeiten muss. Dabei helfen mir
Diskussionen in sozialen Netzwerken enorm. Ich vertrete meine
Meinung, auch wenn ich jedes Mal fast eine Panikattacke bekomme, wenn
jemand mich angreift oder so deutlich widerspricht, dass ich schon
fast wieder meine Ansicht umzuwerfen bereit bin - ich halte es aus
und ernte Anerkennung dafür. Eine ganz neue Erfahrung. Zuhause die
Meinung sagen heißt meistens, dass ich zwar Recht habe, dass das
aber nicht positiv als Zeichen meiner Intelligenz gewertet, sondern
als Angriff auf das Familienoberhaupt gesehen wird. Und Papa dann
beleidigt ist und schlechte Stimmung herrscht.
Hausaufgabe heißt also, bevor ich mich
klein mache, weil ER so toll ist, schaue ich erst, ob der Mann
tatsächlich meine Aufmerksamkeit verdient. Und für den Sex bin ich
wieder in den Joyclub. Mal sehen, ob da ein aufregendes Exemplar Mann
versteckt ist.......
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen